Sehr geehrter Herr Städteregionsrat Grüttemeier,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Kolleginnen und Kollegen Städteregionstagsmitglieder,

das zweite Jahr der Corona-Pandemie neigt sich dem Ende und wiederum müssen wir darauf verzichten die Reden anlässlich der Verabschiedung des Haushalts hier im Plenum des Städteregionstags zu halten.

Die pandemische Lage verlangt Zurückhaltung und Vernunft von uns allen. Deshalb ist es richtig, auch wenn es einem als überzeugtem Parlamentarier innerlich widerstrebt, dass wir die wichtigste Sitzung des Jahres in halber Besetzung machen und die Reden zur inhaltlichen Begründung des Fraktionsabstimmungsverhaltens zum Haushalt lediglich zu Protokoll geben. Dies ist nicht allein dadurch zu begründen, dass wir dies im letzten Jahr ebenfalls so gehandhabt haben. Und die SPD-Fraktion und insbesondere ich als Person haben es uns bei der Entscheidung, diesen Weg der Sicherheit mitzugehen, nicht leicht gemacht. Waren wir letztes Jahr zum gleichen Anlass, bei ähnlichem Zeitpunkt und an selber Stelle noch beseelt von der Hoffnung, dass die sich anbahnende Impfkampagne uns allen einen Weg aus der Pandemie mit all ihren Einschränkungen weist, so müssen wir heute ernüchtert feststellen, dass der damit verbundene gesellschaftliche Kraftakt nicht bzw. nicht in Gänze gelungen ist.

Unsere Gesellschaft ist in zwei Teile zerfallen. Einer davon besteht aus den 2/3 Menschen, die sich dazu entschieden haben zum Schutz von sich, von anderen und aus praktizierter Solidarität heraus die Impfung gegen Covid19 vorzunehmen. Das andere besteht aus dem Drittel, das diese Entscheidung (noch) nicht getroffen hat. Wir haben in der SPD-Fraktion, wo alle Städteregionstagsmitglieder voll geimpft sind, lange darüber diskutiert, ob es gerechtfertigt ist, die Hälfte unserer Fraktion von der wichtigsten Sitzung des Jahres auszuschließen, wenn sich doch die gesamte Fraktion vernünftig und solidarisch verhalten hat. Waren wir anfangs noch der Überzeugung, dass dies nicht sein muss, so hat uns die brachiale Dynamik des Infektionsgeschehens und die beinahe ungebrochene Gefährdungslage durch zwischenmenschliche Kontakte verbunden mit einem konkreten Infektionsgeschehen unter Städteregionstagsmitgliedern letztendlich davon überzeugt, dass es richtig ist, Vorsicht walten zu lassen.

Nichtsdestotrotz haben wir nach wie vor alle miteinander ein politisches Mandat und den Auftrag im Rahmen der uns zugeschriebenen Kompetenzen, Vollmachten und Aufgaben Politik für die 550.000 Menschen in der StädteRegion Aachen zu gestalten.

Die dabei zu bewältigenden Herausforderungen sind im Verlauf des Jahres 2021 nicht kleiner geworden. Sie wurden durch die furchtbare Flutkatastrophe des 14./15. Juli 2021 noch potenziert. Was die Fluten in Aachen-Kornelimünster, Roetgen, Stolberg und Eschweiler angerichtet haben, hat sich vor dem Juli 2021 niemand je vorzustellen gewagt. Das Maß an Zerstörung und menschlichem Leid lässt einen heute bis ins Mark erzittern. Gemeinsam mit den Kollegen Heck, Borning, Emonds (alle CDU), Vroels, Markus und Schwuchow (alle SPD) repräsentiere ich die Wahlkreise zum Städteregionstag, in denen das Wasser seine Zerstörungskraft hat wirken lassen. Wie viele andere auch, hat man sich in den ersten Tagen nach der Katastrophe mit all seiner Kraft in die Bewältigung der unmittelbaren Folgen gestürzt. Hat Keller und Wohnungen leergeräumt, Versorgungs- und Nothilfestationen aufgebaut und Spenden gesammelt und verteilt. Es hat mich persönlich sehr gefreut, die vorgenannten Städteregionstagskollegen und viele weitere Städteregionstagsmitglieder der demokratischen Fraktionen im Hilfseinsatz in den Flutgebieten zu sehen und zu erleben.

Als betroffener Stolberger spreche ich allen dafür Respekt, Dank und Anerkennung aus.

Dies gilt auch für die Hauptverwaltungsbeamten der betroffenen Gemeinden die Bürgermeisterinnen Keupen und Leonhardt und die Bürgermeister Haas und Klauss, die hervorragendes während der Katastrophe geleistet haben und es heute nach wie vor bei deren Bewältigung tun.

Es ist nicht nur unsere formale Aufgabe in der StädteRegion als Katastrophenschutzbehörde und Untere Wasserbehörde unseren Teil dazu zu leisten, dass sich das Erlebte nicht wiederholt. Wir müssen den vier betroffenen regionsangehörigen Kommunen auch über formale Zuständigkeiten hinaus beistehen, damit die Folgen der Flut schnell bewältigt werden können und eine Wiederholung dessen vermieden werden kann. Hier sieht die SPD-Fraktion eine dienstleistende Rolle der StädteRegion, die sich zum Teil auch in den Einzelpositionen des zu beschließenden Haushalts und des mit ihm verbundenen Stellenplans wiederfindet.

Dabei ist die oberste Pflicht, dass die StädteRegion mehr denn je solidarische Finanzpolitik betreibt. Dies beinhaltet vor allem, dass wir maßvoll mit der Regionsumlage umgehen. Mit dem hier gemeinsam von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen vorgelegten Haushalt werden wir diesem Anspruch gerecht. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn der uns übergeordnete Umlageverband der Landschaftsverband Rheinland dies ebenfalls getan hätte. Leider hat die von der CDU geführte politische Mehrheit in der Landschaftsversammlung nicht so viel Verantwortungsbewusstsein bewiesen, weswegen es zu den schmerzhafteren Entscheidungen gehört, die mit diesem Haushalt verbunden sind, die Mehrbelastungen aus der Landschaftsumlage in die von den Kommunen zu zahlende Regionsumlage einpreisen zu müssen.

Dies wird die SPD-Fraktion aber tun, weil sie zum zweiten Mal in Folge einen Haushalt mitgestalten konnte, der einige Punkte enthält, die von uns auf die politische Agenda gesetzt werden konnten.

StädteRegion.Zusammen.Leben war unser Motiv für die Kommunalwahl 2020 und die Stärkung des Zusammenhalts sowie das Begreifen der StädteRegion als gemeinsamen Lebensraum leiten uns auch nach wie vor bei den politischen Vorschlägen, die wir machen.

Der Tourismus ist eine Chance für unsere Region, da sich viele touristisch attraktive Destinationen in der StädteRegion Aachen befinden. Sowohl in der Stadt Aachen wie auch in den übrigen regionsangehörigen Städten und Gemeinden wie bspw. Stolberg und Monschau. Um diese Angebote besser zu vernetzen und die Kooperation zwischen Stadt und Umland zu fördern, haben wir dafür zusätzliche Mittel in den Haushalt eingesetzt.

Zusammen.Leben bedeutet auch immer Solidarität erfahrbar machen. Dies wollten wir mit unserem Antrag zur Weiterentwicklung des städteregionalen Einzelhandels tun. Der Einzelhandel prägt und gestaltet die Innenstädte unserer Region und ist sowohl für Städtebau wie auch Stadtentwicklung von integraler Bedeutung. Keiner von uns wünscht sich klobige Versandzentren in den Innenstädten, sondern Geschäfte und Läden, die sich hübsch in ein Stadtbild einfügen. Um dem lokalen Einzelhandel dabei zu helfen, gegen die digitale Konkurrenz von Amazon & Co. bestehen zu können, wollen wir ihn unterstützen und konnten zusätzlich zu dem Konzept, welches in Verbindung mit unserem Antrag beschlossen wurde, nun auch entsprechende Finanzmittel zu dessen Umsetzung einsetzen.

Zusammen.Leben geht nur mit einem starken Ehrenamt. Nicht nur weil wir unlängst den Tag des Ehrenamts begangen haben, war und ist es uns wichtig, dass insbesondere jungen Menschen ein ehrenamtliches Engagement auch über unterschiedliche biographische Phasen ermöglicht wird. Deswegen haben wir der Verwaltung gerne geholfen und die in Vergessenheit geratenen Mittel für das Ehrenamtsstipendium wieder in den Haushalt eingestellt.

Zusammen.Leben in Europa. In unserer Region bedeutet das ganz konkret ein gutes Verhältnis mit den Nachbar:innen, die in den Niederlanden und Belgien leben. Waren wir im ersten Jahr der Pandemie noch mit Grenzen konfrontiert, die auf einmal wieder physisch zwischen uns standen, wollen wir uns das Zusammenleben in Europa auch durch bessere Vernetzung im Verkehrsbereich weiter intensivieren. Aus diesem Grund haben wir Mittel für eine Machbarkeitsstudie zur An- bzw. Durchbindung der Euregionbahn über Stolberg-Breinig, Walheim, Raeren bis nach Eupen in den Haushalt eingestellt. Europa wird durch Begegnung und das gegenseitige Erleben von Menschen gemacht. Man stelle sich nur wie vor, wie praktisch es für Menschen aus Stolberg wäre mit der Euregiobahn bis nach Eupen zu fahren, um anschließend mit dem belgischen Intercity ans Meer zu kommen und wie schön es für Menschen aus Eupen wäre, mit der Euregiobahn ans deutschen Fernschienennetz in Stolberg angeschlossen zu werden.

Zusammen.Leben bedeutet auch gemeinsam mit den Grünen für die Bewältigung des Klimawandels einzustehen. Erfreut haben wir festgestellt, dass sich unsere Vorschläge zum Haushalt in diesem Politikbereich überschnitten haben bzw. gut integrieren ließen und so konnten wir Mittel für ökologische Land- und Forstwirtschaft, mehr Geld für regenerative Energien und einen Ausbau des städteregionalen Baumpflanzprogramms in den Haushalt einstellen.

Aber die Koalition besteht eben nicht nur aus den Grünen und so verwunderte es nicht, dass die Verhandlungen im Bereich Soziales deutlich schwieriger waren. Immerhin konnten wir die Mittel für die Schutzwohnung für obdachlose Frauen ausweiten und den zusätzlichen Bedarf des Vereins Refugio e.V. für digitale Beratungsleistungen decken.

Aber wir glauben nach wie vor, dass es richtig gewesen wäre, zusätzliche psychosoziale Betreuung in den Flutkatastrophengebieten zu finanzieren und auch das Case-Management für Menschen, die in unserer Verwaltung aufgrund des Teilhabechancengesetzes arbeiten, wäre wichtig gewesen.

Wir sind ebenfalls gespannt, wie sich die StädteRegion als Arbeitgeberin an die durch die Corona-Pandemie veränderten Anforderungen der Mitarbeitenden anpassen wird. Hier wären wir bereit gewesen eine erhebliche Summe für einen Entwicklungsprozess bereit zu stellen und sahen uns da durchaus auch im Einklang mit der im Hause tätigen Interessenvertretung der Arbeiternehmer:innen, konnten uns mit dieser Vorstellung aber nicht durchsetzen. Dennoch werden wir bei diesem Thema dranbleiben, weil eine Behörde mit über 2000 Mitarbeitenden hat als einer der größten Arbeitgeberinnen unserer Region hier schon stilprägenden wenn nicht gar vorbildhaften Charakter bei der fairen und gerechten Implementierung neuer Arbeitsformen, wie Home-Office, Mobilem Arbeiten und vielen anderen Möglichkeiten, die sich resultierend aus den Effekten der Corona-Krise ergeben.

Vor den abschließenden Dankesworten bleibt noch eine Klarstellung. Wir sind hier in der StädteRegion Aachen und nicht im Vereinigten Königreich. Deswegen soll sich niemand die Illusion machen, dass die SPD nur weil sie zum zweiten Mal in Folge einem Haushalt zustimmt jetzt „his majesty‘s most loyal opposition“ im Städteregionstag ist. Es war in diesem Jahr schon feststellbar, dass die Punkte, die von unserer Fraktion in den Haushalt hineinverhandelt wurden, mit gebremster Leidenschaft von der Verwaltung umgesetzt worden sind – wenn es denn überhaupt zu einer Umsetzung kam. Wir werden sehr wohl darauf achten, wie das mit den Punkten ist, die wir für 2022 in den Haushalt eingestellt haben.

Die Zustimmung der Sozialdemokratischen Partei als einer der bestimmenden politische Kräfte in unserer Region, die sowohl die Mehrheit der Hauptverwaltungsbeamt:innen wie auch der (direkt) gewählten Abgeordneten stellt, ist nicht für lau zu haben. Was bedeutet, dass der Gradmesser für eine weitere politische Kooperation, die diesem Hause angesichts der Krisen, die uns umgeben, und angesichts antidemokratischer Kräfte in diesem Haus, gut getan hat auch der Umgang der Verwaltung mit der Politik  ist. Dies gilt insbesondere für die Behandlung politischer Vorschläge durch leitende Mitarbeiter des Hauses.

Abschließend möchte ich noch einmal das sozialdemokratische Leitmotiv für diese Legislaturperiode bemühen. StädteRegion.Zusammen.Leben. Das geht nur wegen der 2.200 Mitarbeitenden der Verwaltung, die jede und jeder an ihrer Stelle und ihrem Platz jeden Tag großartiges Leisten, um das Leben der 550.000 Menschen in unserer Region jeden Tag ein bisschen besser und sicherer zu machen. Deswegen bitten wir die anwesenden Vertreter:innen des Personalrats diesen ausdrücklichen und tief empfundenen Dank der SPD-Fraktion an alle Mitarbeitenden der StädteRegion Aachen weiterzugeben.

Wie immer heben wir bei der Verabschiedung des Haushalts einen Mitarbeitenden im besonderen Maße hervor. Den Kämmerer Herrn Claßen, der uns dieses Jahr an einem Samstagnachmittag sogar ins Kloster folgen musste, um uns bei unseren Beratungen zu unterstützen. Es soll – dem Vernehmen nach – aber weder sein noch unser Seelenheil beeinträchtigt haben. Vielen Dank für ihre Hilfe!

Ich wünsche Ihnen alle im Namen der SPD-Fraktion noch eine schöne Adventszeit mit größtmöglicher Absenz von Corona und ein frohes Weihnachtsfest.

Bleiben Sie gesund, damit wir nächstes Jahr wieder um die beste Politik für die Menschen in unserer Region ringen können.

Glückauf!