Von Gerhard Neitzke, Verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion StädteRegion Aachen
Nach einer kurzen Nacht heißt es in aller Frühe aufstehen, um sich trotz der unmenschlichen Uhrzeit mit dem Rad oder dem Auto durch den dichten Verkehr zu quälen, damit man gerade so noch die letzte Parkmöglichkeit im P+R Bereich vor dem nächsten Bahnhof ergattert. Ein kurzer Blick auf die DB App sagt, dass die Bahn pünktlich abfährt, also auf zu einem letzten Spurt hoch aufs Gleis, damit man den Zug raus aus der StädteRegion noch bekommt. Etwas schnaubend und keuchend auf dem Gleis angekommen muss man feststellen, dass der Zug noch nicht mal bereit steht und innerhalb der letzten 40 Sekunden aus der Anzeige „Fährt pünktlich ab“ eine satte Verspätung von 15 Minuten wurde. Hätte man das nicht früher absehen können bei einem Zug, der am Aachener Hauptbahnhof startet?! Nun gut, man fügt sich seinem Schicksaal und holt nochmal tief Luft, um beim bevorstehenden Kampf um einen Sitzplatz den längeren Atem zu haben. Denn die Verspätung bringt auch andere Pendler am Gleis zum Vorschein, die wegen anderer Zugverspätungen auf diesen Zug ausweichen müssen.
Ok, der Zug fährt ein, der Sitzplatz ist gefunden, der Chef wird per Whats App darüber informiert, dass man – wie so oft – mit 15 Minuten Verspätung eintrifft. Aber Moment, warum steht der Zug denn jetzt schon wieder, hier ist doch gar kein Gleis? Da kommt auch schon die Durchsage: „Sehr geehrte Fahrgäste, aufgrund einer Überholung verzögert sich unserer Weiterfahrt um einige Minuten…“ Also, sind es doch eher 30 Minuten Verspätung bis man auf der Arbeit eintrifft. Die Zeit kann man ja schließlich nach Feierabend nachholen. Moment, war da nicht noch was an diesem Nachmittag? Ein
Verabredung…Schwimmen…!? Ja, der Fahrdienst der Schwimmgruppe für die Kinder. Dann heißt es doch wieder Minusstunden eintragen und hoffen, dass die Rückfahrt reibungsloser abläuft…
Und so ergeht es tausenden Pendlern in der StädtRegion Aachen tagtäglich! Nichts für schwache Nerven oder Leute mit wenig Organisationstalent, meiner Meinung nach. Wenn ich dann in der Zeitung lese, dass die Deutsche Bahn das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen für ein drittes Gleis als nicht gerechtfertigt betrachtet, muss ich mich doch stark wundern, wie sie zu dieser Einsicht gekommen ist?! Es ist sicherlich schwer, Freizeit und Familie sowie Arbeitszeiten oder Zufriedenheit in diese Rechnung aufzunehmen, aber ist es nicht das, was letztlich wirklich zählt? Man steigt in die Bahn und will mit einem guten Gefühl auf der Arbeit oder wo auch immer ankommen und nicht mit dem latenten Eindruck, betrogen worden zu sein. Die oben skizzierte Situation beschreibt keine Ausnahme, sondern den Alltag von Pendlern, daher kann man auch mal von Betrug sprechen. Hinzu kommen noch Streckensperrungen in den Ferien, Schienenersatzverkehr, der unendlich viel Zeit benötigt und Abopreise, die einem Fass ohne Boden gleichen. Letztendlich steigt man in die Bahn, weil es, je nach Strecke, keine Alternative gibt. Dann kann es doch nicht sein, dass die Bahn ihre Kunden so schamlos ausnutzt und noch nicht mal versucht eine Verbesserung in Aussicht zu stellen.
Anders als die DB Netz AG, betrachten AVV und NVR die Situation auf der Strecke zwischen Aachen und Düren nicht für aussichtslos und bemühen sich, auch ohne ein drittes Gleis, eine Verbesserung für die Fahrgäste herbeizuführen. Es wurde bereits eine Studie in Auftrag gegeben, die eindringlich prüfen wird, welche Maßnahmen auf dem Streckenverlauf ergriffen werden können, damit eine Entlastung für Reisende und Bahn entsteht. Laut NVR- und AVV-Geschäftsführer Heiko Sedlaczek, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Einzelmaßnahmen, deren Umsetzung letztendlich wie ein drittes Gleis wirken. Die Realisierung dieser Maßnahmen wird als unverzichtbar beurteilt.
NVR und AVV sind scheinbar in der Lage eine Kalkulation mit den entscheidenden Variablen anzustellen. Vielleicht, weil deren Mitglieder häufiger mit der Bahn fahren als die der DB Netz AG!?